Beethovens Schottische Lieder



Melodien zwischen allen Stühlen...

... als das muss man wohl diese ungewöhnliche Musik Beethovens bezeichnen, die ihm als Auftrags-Bearbeitungen angeboten wurde und die er, wie er selbst schreibt, "con amore" angegangen ist. Obwohl oft im Gesamtwerk unterschätzt, sind dem Komponisten trotz aller Widrigkeiten hier kleine Werke von hoher Kunstfertigkeit gelungen. Der schottische Auftraggeber George Thomson übersandte Beethoven lediglich Melodien ohne Texte. Beethoven verlangte mehr Informationen und wurde höflich aber deutlich von Thomson vertröstet; er würde später Dichter beauftragen, die zu den bearbeiteten Melodien neue Texte verfassen würden. Und so kam es dann, dass  Robert Burns, Walter Scott u.a. Texte für Beethoven verfassten, auf die der Komponist nicht den geringsten Einfluss hatte.

Was man ihm ebenso verschwiegen hatte: Die textlosen Melodien aus Schottland hatten eine teilweise politisch brisante Vergangenheit. Einige entstammten dem gälischen Kulturkreis des schottischen Hochlandes, welcher durch die britische Regierung erst 1746 mit brutaler Gewalt in den Gesamtstaat integriert wurde und damit nicht nur beinahe zur vollkommenen Aufgabe seiner Sprache und Kultur gezwungen wurde, sondern durch die ethnische Säuberung des Hochlandes den größten Teil seiner Bevölkerung verlor. Hätte Beethoven die Originaltexte zu den Melodien gekannt - wir können nur vermuten, welche Art Musik sein revolutionärer Geist daraus gemacht hätte.

Die Melodien fanden ihren Weg nach Wien unter teilweise unglaublichen Umständen. Zur Zeit der Kontinentalblockade war es nicht einfach, Briefe aus Großbritannien nach Europa zu schicken. Oft gingen sie verloren, oder kamen mit großer Verspätung über Umwege durch Schweden oder Malta schließlich in Wien an.

Thomson hatte Großes vor: Die schönsten schottischen Melodien sollten vom besten Komponisten der damaligen Zeit bearbeitet werden. Anschließend wurden sie auf feinstem Papier in aufwendig gestalteten Notensammlungen mit höchster Qualität gedruckt und veröffentlicht - und wurden zum finanziellen Desaster. In Schottland fand man die Originalmelodien schöner und in Wien bevorzugte man das Instrumentalwerk des Meisters. 

Bei dieser Vergangenheit der Lieder ist es nur natürlich, dass kaum, dass man sich etwas näher mit ihnen beschäftigt, der Brexit ein weiteres Mal Großbritannien vom Kontinent zu trennen droht. Und will man sie aufführen - passiert prompt eine Virenpandemie, die die Aufführungen zu verhindern droht.

Mit den schottischen Liedbearbeitungen Beethovens wird es jedenfalls nie langweilig. 

Michael Klevenhaus, Juni 2020


Thig crìoch air an t-saoghal, ach mairidh gaol is ceòl                                                                                                                                           Möge die Welt auch vergehen, Liebe und Musik bleiben bestehen